Rote Häuser sind eine Art Symbol für Schweden: Sie gehören ganz selbstverständlich zum Landschaftsbild. Keine Fotoserie, kein Kalender, kein Prospekt kommt ohne sie aus. Doch warum sind Schwedenhäuser rot? Wie kam dazu, dass die Schweden vor allem Holzhäuser in dieser Farbe streichen?
Wohnen, wo andere Urlaub machen – mit Pippi Langstrumpf, den Kindern aus Bullerbü oder Kalle Blomquist. Für viele ist das ein Traum. Astrid Lindgrens Erzählungen haben die typisch schwedischen Holzhäuser einst auch hier berühmt gemacht. In Schweden wird teilweise schon seit Jahrhunderten so gebaut. Das “Original” des typischen Schwedenhauses kommt aus Småland, einer ländlichen Region in Südschweden, und erstrahlt meist im typischen dunklen Rot. Aber warum wohnen die Schweden so gerne in roten Häusern?
Entdeckung in der Kupfermine
Der Farbton “schwedenrot” oder auch “falunrot” geht auf den schwedischen Ort Falun zurück. Zu Reichtum verhalf der Stadt vor allem der Abbau des begehrten Kupfers. Zeitweise stammten über zwei Drittel des weltweit im Umlauf befindlichen Kupfererzes aus dem Bergwerk von Falun. Die rötliche Pigmentmischung, die ab dem 18. Jahrhundert als Anstrich für Holzhäuser genutzt wurde, war eigentlich ein Abfallprodukt der Kupferförderung, das sich u. a. aus Kupfer und Eisenoxid zusammensetzt. Nach mehreren Fehlversuchen konnte durch gemeinsames Aufkochen mit Wasser und Stärke aus dem Pigment eine Anstrichfarbe hergestellt werden. 1764 gilt als das offizielle „Geburtsjahr“ des Falunrot.
Die Grube, aus deren Kupfererz die Farbe gemischt wurde, zog schon früh Reiseschriftsteller an. Eindrucksvoll ist der Bericht von Carl von Linné, der die Mine im Sommer 1734 besuchte. Erschüttert beschreibt er die Luftverschmutzung durch den Kupferbergbau. Literarische Berühmtheit erlangte das Bergwerk auch wegen einer menschlichen Tragödie: 1677, kurz vor seiner Hochzeit, verschwand der Bergmann Fet Mats Israelsson. Er wurde erst 1719 aufgefunden und konnte von seiner Braut identifiziert werden. Kupfersulfat in der Grube hatte seinen Leichnam nahezu vollständig konserviert.
Die Begebenheit inspirierte auch deutsche Schriftsteller. E. T. A. Hoffmanns „Die Bergwerke zu Falun“ (1819), Friedrich Rückerts Gedicht „Die goldne Hochzeit“ und „Unverhofftes Wiedersehen“ von Johann Peter Hebel (1811) beruhen ebenso auf der Geschichte des Bergmanns wie das Libretto zur Wagner-Oper „Die Bergwerke zu Falun“.
Der Siegeszug der roten Farbe
Dass das Falunrot so beliebt wurde, hat verschiedene Gründe. In Mitteleuropa wurden zu dieser Zeit die Häuser der wohlhabenden Bevölkerungsschichten aus Backsteinen gebaut. Mit dem roten Anstrich versuchte man in Schweden, seinem eigenen Holzhaus ein edleres Aussehen zu verleihen. So wurde falunrot im 18. Jahrhundert die vorherrschende Fassadenfarbe. Daran hat sich nichts geändert: Bis heute ist der Farbton in allen Gesellschaftsschichten beliebt und wird weiterhin als Standardfarbe beim Bau von Holzhäusern angeboten.
Warum Streichen mit Falunrot Renovierungskosten einspart
Wegen der chemischen Zusammensetzung lässt sich die Farbe besser auf unbehandeltem, aber auch auf bereits verwittertem Holz auftragen. Andere Farben und Lasuren werden von verwittertem Holz stärker aufgesogen, so dass man öfter nachstreichen muss. Mit Falunrot zu streichen sparte also auf Dauer Renovierungskosten. Mittlerweile haben Schwedenhaus-Hersteller wie Eksjöhus auch andere Farben (z. B. weiß und grau) im Angebot. Seit den 1970er Jahren ist das typische Schweden(haus)rot „rödfärg“ sogar eine eingetragene Marke. In Deutschland ist die Farbe umgangssprachlich als „schwedenrot“ bekannt.
Die Kupfermine von Falun ist heute Weltkulturerbe
Aus Falun kommt sie allerdings schon lange nicht mehr. Die dortigen Bergwerke und Gruben sind seit 1992 geschlossen – genauer gesagt, es wird dort kein Kupfer mehr abgebaut. Geöffnet sind sie jedoch für Besucher und unbedingt einen Ausflug wert. Besichtigen kann man u. a. die berühmte, immer noch begehbare Kupfermine. Sie steht seit 2001 zusammen mit drei Arbeitervierteln aus dem 17. Jahrhundert und der Industrielandschaft auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Für Besucher geöffnet sind auch ein Bergwerk und das Grubenmuseum.
Fotos im Text:
Holger Motzkau, Wikipedia/Wikimedia Commons; Wigulf – Commonswiki; Lapplaender, Creativecommons. Titelbild: Andrea Weber