Weil ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg die Kirchen fehlten, suchten zwei freikirchliche Gemeinden in Ostberlin Unterstützung aus dem Ausland – und erhielten jeweils eine Holzkirche aus Schweden. Die beiden hölzernen Berliner Schwedenkirchen haben sich bis heute erhalten.
In Berlin-Adlershof war die freie evangelische Gemeinde (FEG) längere Zeit auf der Suche nach einem Grundstück, um ein Gemeindehaus zu errichten. Zuvor hatten sich die Mitglieder an wechselnden Orten zusammengefunden, doch es fehlte an Platz für Gemeindefeste. Am 1. Juli 1941 war es so weit: Kurz bevor der Erwerb von Grundstücken verboten wurde, kaufte die Gemeinde das Doppelgrundstück in der Handjerystraße 29/31. Geplant waren ein Wohnhaus mit Altenheim und ein auf dem Hof liegendes Gemeindehaus. Durch die Wirren des Krieges und die damit verbundene Geldentwertung wurde daraus allerdings nichts.
Kontakte zu schwedischen Freikirchen aufgebaut
Bei der Suche nach einer Lösung halfen Verbindungen nach Skandinavien. Prediger der Berliner Freikirchen hatten bereits in den 1930er Jahren Kontakte zu Freikirchen in Schweden aufgebaut. Diese Beziehungen wurden nach dem Krieg intensiviert, und so erreichte im Dezember 1946 die erste Hilfsgüter-Sendung aus Schweden Berlin. Die freikirchlichen Gemeinden erhielten Spenden in Form von Lebensmitteln, Textilien und anderen Gütern.
Die für die FEG wichtigste Spende war aber etwas ganz anderes: Am 23.12.1947 kündigte ein Telegramm aus Stockholm die Lieferung einer Holzkirche an, die in drei Zugwaggons nach Adlershof transportiert werden sollte. Von der telegraphischen Ankündigung bis zur Einweihung verstrich allerdings noch viel Zeit, denn weil sich Adlershof in der russischen Besatzungszone befand, brauchte die Gemeinde die Genehmigung der Behörden. Erst Ende September 1948 erhielt die FEG die Baulizenz für ihre Schwedenkapelle. Der Grundstein wurde schließlich am 24. November 1948 gelegt.
Spende war an eine Bedingung geknüpft
Die Hilfe aus Schweden erhielt die freikirchliche Gemeinde allerdings unter einer Bedingung, erzählt Gemeindearchivar Klaus-Peter Ortmann: „Da die Nazizeit so fokussiert war auf Rassismus und die Vernichtung der Juden, mussten wir ein Schuldeingeständnis erbringen. Dieses Schuldeingeständnis leistete von unserer Seite ein ehemaliger Nazi namens Heinz Müller. Er fuhr nach Stockholm und entschuldigte sich offiziell und in aller Öffentlichkeit für die Gräuel, mit denen auch wir verbandelt waren, denn die Kirchen in Deutschland leisteten damals keinen Widerstand, sondern nur einzelne Personen.“
Der Holzturm musste 1957 wieder weichen
Bei der Einweihung der Schwedenkapelle am 28. August 1949 waren die Eingänge und der Giebel zur Straße hin festlich mit Girlanden geschmückt. Zum Bedauern der Gemeindemitglieder musste allerdings das markante Türmchen aufgrund von Problemen mit der Statik 1957 wieder abgetragen werden.
Die Fassade hat sich dagegen unbeschadet erhalten. Sie erhielt regelmäßig einen neuen Anstrich, damit Wind und Wetter ihr weiterhin nichts anhaben konnten.
In der Geschichte der FEG und der Schwedenkapelle war der September 1950 ein bedeutender Monat. Damals schlossen sich in der Kapelle die auf dem Gebiet der DDR beheimateten Gemeinden zu einem „Bund freier evangelischer Gemeinden“ zusammen.
Schwedenkirche durch Stadtsanierungspläne gefährdet
Im Zuge der Stadtsanierung wäre es der Schwedenkirche beinahe an den Kragen gegangen. Ende der 1970er Jahre erteilten die staatlichen Behörden der Gemeinde die Auflage, einen Ersatzbau für die Holzkapelle zu planen. Der „Ersatzbau Schwedenkapelle“ beschäftigte die FEG in den kommenden Jahren sehr. Vielen Mitgliedern war an einer Bewahrung der Kapelle gelegen.
Wende bringt Rettung
1989 beschloss der West-Bund, der FEG Mittel für den Bau zur Verfügung zu stellen. Doch mit der Wende im November 1989 fanden alle Planungen ein Ende, und die Schwedenkapelle in Adlershof ist bis heute erhalten geblieben. Mit der Wende erhielt die Kirche dann auch einen Anstrich im typischen Schwedenrot. Zu DDR-Zeiten war mangels Verfügbarkeit nur eine Annäherung an diesen Farbton möglich. Im September 2014 feierte die freie evangelische Gemeinde dort ihr 100-jähriges Bestehen.
Auch Friedrichshain hat eine Schwedenkirche
Eine weitere Schwedenkirche ist im Stadtteil Friedrichshain erhalten geblieben. Die Christuskirche ist eine kleine hölzerne Kirche der Methodistengemeinde, umgangssprachlich als Holzkirche bekannt. Der hölzerne Bau ersetzte nach dem Krieg die zerstörte Elim-Kirche, von der noch Mauerreste auf dem Gelände stehen.
1895 ließ die evangelisch-methodistische Gemeinde auf dem Grundstück Tilsiter Straße 14/15 (heute Richard-Sorge-Straße) ein Kirchengebäude im neogotischen Stil errichten. Die Kirche wurde auch von anderen Christen in der Umgebung für Gottesdienste, Hochzeiten und Beisetzungsfeiern genutzt.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs – zuerst 1941 und noch einmal am 3. Februar 1945 – wurden die Kirche und das nebenstehende Wohnhaus des Pastors so stark beschädigt, dass die Reste 1947 enttrümmert werden mussten.
Pastor mobilisierte schwedische Methodisten
1948 überraschte der Pastor der Elim-Gemeinde nicht nur Berliner Methodisten, denn ihm war es gelungen, mit Spenden amerikanischer und schwedischer Methodisten eine komplette Holzkirche aus Schweden herbeischaffen und am Platz der zerbombten Kirche aufstellen zu lassen. Im November 1948 ging die in Schweden gebaute kleine hölzerne Kirche auf die Reise. Per Eisenbahn wurde sie über Saßnitz (Rügen) nach Berlin transportiert. Bei der feierlichen Kirchenweihe am 25. Dezember 1948 erhielt sie den Namen „Christuskirche“ und diente fortan als Gebetshaus für etwa 400 Methodisten.
Notkirche wurde zur Dauereinrichtung
Wie die Schwedenkapelle in Berlin-Adlershof war auch die braun angestrichene Holzkirche in der Richard-Sorge-Straße zunächst als vorübergehende Lösung gedacht. 1973 wurden Innen- und Außenbereich der Kirche einer umfassenden Renovierung unterzogen.
Nach 1990 gab es sowohl Erwägungen, die Kirche abzureißen, um Wohnhäuser zu errichten, als auch Pläne für den Bau eines neuen Gotteshauses. Diese Überlegungen wurden jedoch verworfen, nachdem die Holzkirche in die Berliner Baudenkmalliste aufgenommen wurde.
Heizung und neue Fußböden
In den Jahren 1997 und 1998 wurde die Holzkirche umfassend saniert. Dabei wurden die Holzböden erneuert und eine Heizung eingebaut. Mit einem festlichen Gottesdienst am 11. Oktober 1998 wurde die methodistische Christuskirche wieder eingeweiht.
Von schlichtem Holzturm gekrönt
Das Kirchengebäude hat eine Länge von 27 Metern, ist zehn Meter breit und wird von einem flachen Satteldach gekrönt. Auf dem Dach erhebt sich ein schlichter hölzerner Kirchturm.
1971 wurde in der Holzkirche eine Orgel eingebaut. Neben Gottesdiensten und gemeinnützigen Aktivitäten wird die Christuskirche auch für Vorträge und Konzerte genutzt.
Mit der Schwedenkapelle in Adlershof und der Christuskirche in Friedrichsdorf haben sich zwei hölzerne Schwedenkirchen bis heute erhalten, die eigentlich als Notkirchen gedacht waren.
Eine weitere Notkirche steht bis heute ebenfalls in Berlin-Friedrichshain, allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Schwedenkirche. Für die evangelische Offenbarungskirche in der Simplonstraße verwendete der Erbauer Otto Bartning preisgünstige, seriell vorgefertigte und leicht montierbare Konstruktionsteile aus Holz und einfachste Baustoffe bzw. Trümmermaterial.
Mehr dazu:
FEG Adlershof: 70 Jahre Schwedenkapelle
Holzkirche: die Christuskirche in Berlin-Friedrichshain
Notkirche: Die evangelische Offenbarungskirche in Friedrichshain